Die ERP-Lösung der nächsten Generation steht mit der Business-Suite SAP S/4HANA parat – so zumindest die Aussagen der Walldorfer Softwareschmiede. Die Basis für die Suite ist die In-Memory-Datenbank SAP HANA. Sie soll es Anwenderunternehmen ermöglichen, im Zuge ihrer Digitalisierungsstrategie von der neuartigen Architektur zu profitieren. Doch wie sollen Unternehmen – egal ob sie bereits Vorgängerversionen von SAP oder andere ERP-Lösungen im Einsatz haben – migrieren?
Für viele Unternehmen, die bereits SAP-Lösungen für ihren Unternehmens-Backbone im Einsatz haben, zeichnet sich eine gewisse Dringlichkeit ab, was die Migration auf SAP S/4HANA angeht. Denn die Überlegung eines SAP-ERP-Upgrades sollte in jedem Unternehmen auf der Agenda stehen, auch wenn die bestehende SAP-Infrastruktur noch die aktuellen Bedürfnisse erfüllt: Denn SAP hat angekündigt, den Mainstream Maintenance Support für ältere ERP-Generationen im Jahr 2027 einzustellen. Somit erweist sich der Einsatz der neuesten SAP S/4HANA-Technologie letztlich als Notwendigkeit – sofern man keinen Anbieterwechsel vornehmen möchte.
Die Beendigung des Mainstream Maintenance Supports zieht einige Konsequenzen nach sich: SAP wird nach 2027 keine Updates mehr für alte ERP- und alle Kernanwendungen der eingesetzten IT-Plattform zur Verfügung stellen. Es wird keine innovativen Software-Add-ons mehr geben, somit erscheint ein Produktivitätsrückgang im Unternehmen unausweichlich – oder einfach formuliert: Das alte ERP wird veraltet sein.
Der Zeitpunkt 2027 erscheint auf den ersten Blick noch als ausreichender Vorlauf, doch sollte man nicht vergessen: Das „Sondereinsatzrecht für die klassischen ERP-Funktionen“, die noch in SAP S/4HANA enthalten sind, endet Ende 2025. Diese Funktionen sind notwendig, um zum Beispiel ein SAP-ECC-System technisch in ein SAP S/4HANA umzuwandeln. Nach einer solchen Systemumwandlung muss noch von den jeweiligen klassischen ECC-Funktionen auf die neuen SAP S/4HANA-Funktionen migriert werden. Dazu sollte man sich zumindest ein Jahr Zeit nehmen. Experten befürchten daher: Wer nicht bis Ende 2024 sein System umgewandelt hat, kann nur noch das SAP S/4HANA-System komplett neu einführen und beraubt sich selbst einiger Einsatzalternativen – Greenfield, Brownfield und hybride Varianten.
Bei einem Einführungsprojekt von SAP-ECC (ERP-Central-Component) war es sehr zeitaufwendig, zunächst die grundlegenden Strukturen in den entsprechenden Systemen aufzubauen. Dabei musste man nicht selten vollkommen neue Wege gehen.
Bei einem S/4HANA-Projekt sollte man dagegen einen völlig anderen Ansatz verfolgen. Dabei lautet die Empfehlung, das neue System über die Implementierung der dazu vorliegenden SAP-Best-Practices aufzubauen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Der Aufwand ist vergleichsweise gering und zudem gibt es mit SAP Activate eine dazu passende Projektmethodik. Sie basiert in erster Linie auf der Verwendung von Best Practices, die es für verschiedene Branchen gibt. Das hat allerdings die Konsequenz, dass man unter Umständen seine bestehenden Geschäftsprozesse an den Quasistandard der Best Practices – womöglich gezwungenermaßen – anpassen muss.
Vor diesem Hintergrund empfehlen SAP-Experten – etwa aus der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG) – Workshops abzuhalten, in denen geprüft werden sollte, ob und wie weit die eigenen Unternehmensprozesse zu den Best-Practice-Prozessen von SAP passen. Ein derartiges Vorgehen führt in der Regel dazu, dass sich die Projektlaufzeiten verkürzen lassen und die Abläufe sich stark in Richtung „SAP-Standard“ orientieren.
Auf einen Blick: Tipps und Tricks
Wer sich mit dem Gedanken trägt, S/4HANA Finance einzuführen, sollte Folgendes beachten:
- Verschaffen Sie sich Klarheit über die Art des Umstiegs und die jeweiligen Vor- und Nachteile: Brownfield, Greenfield oder Mischformen.
- Verwenden Sie die neuen Organisationsstrukturen im Finanzwesen wie Ledger und Währungen.
- Zeigen Sie Ihren Mitarbeitenden die Chancen auf, mit S/4HANA an einem modernen System zu arbeiten.
- Nehmen Sie die Mitarbeitenden im gesamten Projektablauf mit.
- Nutzen Sie die vielfältigen Möglichkeiten, sich ausführlich über S/4HANA zu informieren.
- Verwenden Sie Fiori frühzeitig im Projekt und wecken Sie das Interesse bei den Anwendern, damit zu arbeiten.
S/4HANA basiert auf einer In-Memory-Datenbank und somit auf einer komplett neuartigen Datenbankstruktur. Daraus ergeben sich für die Unternehmen viele neue Möglichkeiten, vor allem im Bereich des Reportings. Dafür ist es jedoch notwendig, die bestehenden Abläufe gezielt zu durchleuchten, zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern. Doch das zugehörige Know-how liegt in letzter Konsequenz in den Fachbereichen. Daher gilt die Empfehlung: Aus den jeweiligen Fachabteilungen sollte der Anstoß für die Veränderungen erfolgen.
Doch diese Ausgangssituation muss den Fachbereichen auch kommuniziert werden. Es gilt, die richtigen Themen anzupacken und auch die möglichen Auswirkungen abzuschätzen. Bei einer derartigen Vorgehensweise wird aus dem „IT-Projekt“ ein Unternehmensprojekt, das auf einer fachlichen Basis entwickelt und umgesetzt wird und nicht von der IT-Abteilung aufgesetzt wurde.
Laut DSAG ist es von fundamentaler Bedeutung, dass der Fachbereich bei einem S/4HANA-Projekt nicht nur eine große Rolle spielt, sondern dass er es bestimmt, in alle Themen und Entscheidungen einbezogen ist und in jeder Phase tatsächlich auch als treibende Kraft fungiert. Dieser Ansatz ist allerdings in vielen Unternehmen noch eher die Ausnahme als die Regel. Daher braucht es oftmals viel Überzeugungskraft, um die alten Strukturen aufzubrechen.
Ist dies erreicht, sind vor der eigentlichen Einführung eines S/4HANA-Systems einige grundlegende Entscheidungen zu treffen. Dafür ist es laut DSAG hilfreich, sich grundlegende Fragen zu beantworten:
- Was möchte ich mit einem S/4HANASystem erreichen?
- Was sind meine Ziele und die damit verbundenen Anforderungen?
- Wie erreiche ich die gesteckten Ziele?
- Setze ich dabei auf altbewährte Methoden und Abläufe, oder will ich Prozesse gezielt abschaffen und andere neu etablieren?
Reporting-Anforderungen festlegen
S/4HANA bietet besonders im Bereich Reporting neue Möglichkeiten. Daher gilt es hier im ersten Schritt, die Anforderungen an das Reporting im Unternehmen festzulegen und zu überlegen, welche Auswertungsmöglichkeiten gefordert und gewünscht sind und wie sich diese erreichen lassen.
Eine weitere wichtige Rolle spielt das Change-Management, denn wie in jedem Projekt geht es darum, die Beteiligten „mitzunehmen“. Bekommt dieser Aspekt zu wenig Aufmerksamkeit und wird das neue System womöglich sogar von den Mitarbeitern nicht angenommen, kann das den Erfolg in Frage stellen.
Neben der neuen Struktur von S/4HANA sind die Fiori-Applikationen sehr wichtig. Mit ihnen kommen die Innovationen ins Projekt. Wer darauf verzichtet, nimmt sich die Möglichkeit, Innovationen zu nutzen. Für diese Applikationen gilt: Um sie einzusetzen, sind neue Oberflächen notwendig. Diese gehen einher mit neuen Benutzerrollen und der damit verbundenen Schulung der Mitarbeiter.
Es empfiehlt sich generell, die neuen Funktionen intensiv zu nutzen und im Projektverlauf immer wieder zu verwenden. Das ist die beste Möglichkeit, um die Anwender an den Einsatz zu gewöhnen.
Autor: Rainer Huttenloher